Wenn Grenzen zu Kontaktflächen werden, wird Fremdheit zur bedeutsamen Erfahrung. Erst bei Annäherung tritt die Fremdheit des Gegenübers in Erscheinung.
Im Zentrum der Zusammenarbeit ist die Fremdheit als körperliches und tänzerisches Beziehungsverhältnis zu verstehen. Die personale und soziale Identität ruft die Fremdartigkeit des Anderen hervor und bleibt stets ein Teil körperlich und persönlich erlebter Eigenheit. Fremdheit wird als relationaler Begriff verinnerlicht, dessen Bedeutung sich dann erschließt, wenn man seine eigenen Anteile in diesem Beziehungsverhältnis mit zu berücksichtigen vermag. Die Fähigkeit, die eigenen Positionen und Sichtweisen, wie etwas fremd erlebt wird, ist abhängig von persönlichen Erfahrungen und den manifestierten Erinnerungen (Body Memory).
Ahmadzadeh, Khodad, Shahyar und Pider erleben Fremdheit nicht nur als historisch, gesellschaftlich und politisch gebundene Kategorie, sondern auch als Erinnerungen, welche sich im Körper manifestieren und integrieren, aber auch reflektieren und lösen lassen. Mit diesen Differenzierungen und der Fremdartigkeit des Gegenübers, teils Mythos, fungieren kulturelle und religiöse Aspekte als Schleier für unterschiedliche Machtinteressen. Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten sowie Ausschreitungen zwischen ethnischen Gruppierungen beherrschen den politischen und historischen Diskurs. Die Konstruktion der jeweils anderen, wie unter Arabern, Kurden, Iranern etc. führten zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und prägen auch die aktuelle politische Lage im Nahen Osten. Die Erinnerungen an den Krieg zwischen Iran und dem Irak beeinflussen die Künstlerinnen Ahmadzadeh, Khodad und Shahyar bis in die Gegenwart und wirkt direkt und indirekt in die tänzerische Arbeit hinein. Pider hingegen, geboren und aufgewachsen in Südtirol, erlebt ihre Kindheit und Jugend als Teil einer deutschsprachigen Minderheit in Italien. Die Differenzen zwischen den Sprachgruppen scheinen längst überwunden, dennoch manifestiert sich das Gefühl der Fremdheit und Andersheit als ein dauerhafter Zustand. Von vielen wird im Kampf mit der eigenen Identität und Zugehörigkeit all das, was auch nur im Geringsten von den gewohnten Mustern abweicht, sofort mit vollster Überzeugung abgelehnt. Pider stellt sich von ihrer Jugend an klar gegen diese Ablehnung.
Choreografie: Ulduz Ahmadzadeh
Konzept: Ulduz Ahmadzadeh, Meyaseh Khodad
Komposition und Arrangment: Golnar Shahyar
Performance und künstlerische Mitarbeit: Meyaseh Khodad, Nora Pider, Golnar Shahyar
Bühne und Raum: Till Jasper Krappmann
Kostüm: Iva Ivanova
Licht: Jan Wilander
Produktion: Nora Pider, Gerlinde Roidinger